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Heute geht es um Contenance, Selbstbeherrschung in Psychologie, Spiritualität und Yoga. Das letzte Mal hat Sukadev geendet, indem er über die Psychologie und Psychotherapie sprach. Ideal und Ziel der Psychologie und Psychotherapie ist auch die Befähigung, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, Emotionen nicht hilflos ausgeliefert zu werden. Hier kann man zwei Richtungen unterscheiden: Diejenigen, die auf Kognitionen, Verstehen, bewusstem Steuern beruhen. Und diejenigen, die über Herausholen von Gefühlen, Aktivierung von Emotionen, Auflösen von emotionalen Blockaden, Befreiung von steckengebliebenen Emotionen beruhen. Kognitive Verhaltenstherapie beruht meist auf ersterem, Psychoanalyse, Gestalttherapie, die meisten Richtungen der humanistischen Psychologie auf letzterem. Wie ist das in der Spiritualität und Religion? Auch in Religion und Spiritualität spielt diese Polarität eine wichtige Rolle. Zum einen geht es darum, Gott zu erfahren, zu erleben. Die Grundlage der Religion ist die religiöse Erfahrung, wie William James, der amerikanische Psychologie schon vor über 100 Jahren erkannt hat. Und religiöse Erfahrung, spirituelle Erfahrung, mystische Erfahrung ist die intensivste Erfahrung, derer ein Mensch fähig ist. Andererseits betonen die meisten Religionen und spirituellen Richtungen die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung. Auch auf dem religiösen Gebiet gibt es die apollinischen und die dionysischen Richtungen. Im Christentum gibt es die Erweckungsbewegungen, die Born-Again-Christians, in der indischen Tradition die extremen Bhakti-Bewegungen und manche Tantra-Bewegung, in vielen schamanischen Traditionen gibt es das Rauschhafte, viele religiöse Feste bauen auf kollektiver Emotionalität auf und nutzen dafür intensive Reize durch Musik, Farben, Gerüche, Tanzen etc. Die Gefahr ist natürlich, dass solche Exzesse in Fanatismus resultieren, dass Emotionalismus mit Spiritualität verwechselt wird und das Schwelgen in Gefühlen und Gemeinschaftsgefühlen die Gottverwirklichung ersetzt. Auf der anderen Seite stehen spirituelle Richtungen, die Wert auf Selbstbeherrschung legen wie Meister Eckhart, Puritanismus, Raja Yoga und Jnana Yoga. Hier besteht die Gefahr der Unterdrückung der Emotionen, einer oberflächlichen Vernunft-Religion, die innerlich hohl bleibt. Der ganzheitliche Yoga ist eher ein Sowohl-als-auch, weniger ein Entweder-oder. Yoga will zu intensivem Erleben, zur Erfahrung des Göttlichen führen. Dazu gehört auch das Ermöglichen tiefer spiritueller Erlebnisse, Geschick im Handeln, Kultivieren von Mitgefühl, intensiver Liebe zu Natur, Geschöpfen, Mitmenschen und Gott. Dazu gehören spirituelle Praktiken wie Musik, Tanz, ekstatischem Mantra-Singen. Dazu gehören intensive Erfahrungen im Kundalini Yoga. Das wird aber ergänzt durch Techniken für die Befreiung von automatisierten emotionsgesteuerten Reiz-Reaktions-Mechanismen, durch Übungen zur Selbstbeherrschung, Gelassenheit, ja und auch äußerer Contenance um andere nicht zu verletzen und um langfristig das Gute zu bewirken. Auch ein spiritueller Mensch will langfristig etwas bewirken, nämlich Gottverwirklichung, Verbesserung der Welt, Verringerung von Leiden. Dazu muss er zum einen in der Lage sein, die Energie der Emotionen zu spüren. Andererseits muss er sich langfristig denken können. Auch auf dem spirituellen Weg gibt es Höhen und Tiefen. Beständig und gelassen weiter zu gegehen, das ist für langfristige spirituelle Entwicklung entscheidend. Dies ist die 93. Ausgabe des Yoga Psychologie Podcasts von und mit Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya. Dies ist die fünfte Folge einer Reihe zum Thema Contenance, Selbstbeherrschung und Coolness. Mehr Infos zu Yoga Psychologie https://www.yoga-vidya.de/yoga-psychologie.html. Yoga Urlaub https://www.yoga-vidya.de/seminartipp/yoga-urlaub.html. Informationen über Leben in einer Yoga Vidya Gemeinschaft https://www.yoga-vidya.de/gemeinschaft.html